Alles tiefgreifend verstehen mit der Feynman-Technik
Beim Lernen kann es schnell einmal vorkommen, dass wir denken ein Thema verstanden zu haben und dazu Fragen genau beantworten zu können. Insbesondere wenn man Zusammenfassung, Notizen und Übungen durchgearbeitet hat, kann man leicht in diesen Zustand verfallen.
Ein Thema tiefgreifend zu verstehen, erfordert in den meisten Fällen aber mehr, als nur die Fähigkeit zu besitzen, den Inhalt fehlerfrei wiederzugeben und die richtigen Fachbegriffe im jeweiligen Kontext zu verwenden.
Wie oft hast Du schon versucht, dir den Lerninhalt selbst aktiv zu erklären und hast dann aber währenddessen aufgehört, weil du dich selbst davon überzeugt hast, dass du es ja kannst und gelernt hast?
Es existiert ein grosser Unterschied zwischen dem reinen wiedergeben eines Begriffs und auf der anderen Seite, diesen wirklich tiefgreifend zu verstehen. Ein Unterschied, den wir gerne einmal ausser Acht lassen beim Lernen.
Ich bin mir sicher, dass viele von uns schon Bekanntschaft mit dieser Falle geschlossen haben. Ein Zitat von Albert Einstein bringt diese Problematik sehr gut auf den Punkt: “Wenn du es nicht einfach erklären kannst, hast du es nicht gut genug verstanden.” Darum kommt hier die Feynman-Technik ins Spiel, welche Dir bei dieser Herausforderung Unterstützung leisten soll und dir zeigt, wie du effektiv Dinge verstehst.
Die Feynman-Technik
Die Feynman-Technik basiert auf der Idee, dass wir unser tiefgreifendes Verständnis zu einem Thema verbessern bzw. uns aneignen können, indem wir uns vorstellen, dass wir die gelernten Inhalt jemandem beibringen müssen, der absolut keine Ahnung davon hat (Zum Beispiel ein kleines Kind).
Diese Technik wurde nach dem amerikanischen Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman benannt, der dafür bekannt war, komplexe wissenschaftliche Inhalte in einfachen Worten und Diagrammen zu erklären. Er konnte den Leuten mit einfachen Worten Dinge so klar und verständlich erklären, sodass sie ihm den Spitznamen “The Great Explainer” gaben.
Anwendung der Technik in vier Schritten
Schritt 1: Wähle ein Thema aus
Wähle ein Thema aus, das du kürzlich gelernt hast oder ein Thema in dem du dein Wissen und Verständnis testen möchtest. Es spielt dabei keine Rolle welches Thema, denn die Feynman-Technik funktioniert grundsätzlich mit jedem Bereich.
Um anfangen zu können, nehme dir ein Stift und ein Blatt Papier oder öffne ein leeres Worddokument. Betitel dabei die Notiz nach dem Thema, das du in diesem Falle lernen möchtest. Somit hast du alles bereit und kannst jetzt loslegen!
Schritt 2: Erkläre das Thema in einfacher Sprache
Versuche nun das Thema/Konzept so einfach und klar wie möglich zu erklären. Stelle dir vor, du erklärst es einem kleinen Kind oder einer Person, die noch nie etwas von diesem Thema gehört hat. Verwende dazu das Blatt Papier oder Worddokument und schreibe in einfachen Worten deine Erklärung nieder. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Einfachheit.
Versuche dabei das Thema/Konzept nicht einfach plump zu definieren, sondern verwende Beispiele um zu zeigen wie das Konzept in der Praxis angewendet wird. Das kann gut bei wirtschaftlichen, mathematischen oder physikalischen Themen funktionieren. Ebenfalls können Infografiken helfen, das Thema besser zu verstehen.
Somit hast du dir gedanken über das Thema gemacht, es aufgeschrieben bzw. erklärt und nun auch noch gezeichnet – Die Chancen stehen gut, dass du zum Experten im zu lernenden Thema wirst. Kleiner Tipp: Versetze dich in die Lage eines Lehrers, der seinen Schüler das Thema bestmöglich erklären sollte.
Folgende Punkte können dir bei der Umsetzung helfen:
- Verwende keine Fachsprache in deiner Erklärung. Eine Person, die noch nie etwas von diesem Thema gehört hat, wird diese Begriffe nicht verstehen. Somit wenn wir die Fachsprache bei Seite lassen, können wir uns nicht hinter Fachwörtern verstecken, die man selbst nicht erklären kann. Unter Verwendung von Fachwörtern in beispielsweise Business-Meetings, kann es uns dabei hindern, Themen auf den Punkt zu bringen und einen akzeptablen Wissenstransfer zu ermöglichen.
- Versuche das Thema so kurz und präzise darzulegen, als müsstest du gerade in diesem Moment, eine 5 minütige Präsentation deiner Business-Idee, vor den potenziellen Investoren halten.
Zitat von Feynman: Ich habe sehr früh den Unterschied zwischen, den Namen von etwas zu wissen und etwas zu wissen, gelernt.
Schritt 3: Identifizieren der Wissenslücken
Versuche die Bereiche zu identifizieren, welche dir besonders viel Mühe bereiteten oder bei denen du Lücken in der Erklärung hattest. Danach solltest du zu deinen Notizen, Büchern und Übungen zurückkehren, bis du dein Verständnis für das Thema verbessert hast.
Weiterführend kannst du die Bereiche ausfindig machen, bei denen du Fachwörter verwendet hast und versuche diese dann durch einfachere Wörter aufzubrechen bzw. zu zerlegen. Somit versuche das Thema mit einfacher Terminologie zu erklären.
Der Schlüssel zum Erfolg, sollte dabei nicht nur das identifizieren von schwierigen Bereichen der eigenen Erklärung sein, sondern auch sich zu testen und zu identifizieren wo man Annahmen getroffen hat, die man schon intuitiv verstanden hat.
Folgende Punkte können dir bei der Umsetzung helfen:
- Arbeite mit folgenden Fragen: Mit welchen Punkten hattest du noch schwierigkeiten, bei der Erklärung des Themas? An welchen stellen fehlte einem schlicht und einfach noch das Wissen?
- Frage dich, ob deine Erklärung ein kleines Kind verstehen würde. Könntest du folgende Fragen eines Kindes beantworten: Warum ist das so? Wie und warum das funktioniert? Was bedeutet das?
Schritt 4: Vereinfache weiter
Überprüfe und versuche deine Erklärung weiter zu vereinfachen. Natürlich an einem gewissen Punkt wird es schwer, weiter die Erklärung zu vereinfachen, ohne dass dies auf Kosten der Qualität des Inhaltes geht.
Vereinfachen bedeutet in vielen Fällen auch verstehen. Wer Themen/Konzepte in einfacher Terminologie erklären kann, hat oft auch verstanden was er lernen sollte. Optimalerweise hast du am Schluss eine präzise Erklärung eines Themas/Konzept, bei dem du Zusammenhänge hergestellt hast bzw. wichtige Bestandteile davon verknüpft hast.
Folgende Punkte können dir bei der Umsetzung helfen:
- Stelle dir die Frage, kann ich nun das Thema einem sechsjährigen erklären? Falls dies nicht der Fall sein sollte, gehe zurück und wiederhole den Vorgang und stärke dein Verständnis, um eine präzise Erklärung liefern zu können.
- Lese dir deine niedergeschriebene Erklärung laut vor. Stelle dir dabei vor, du müsstest die Rolle eines Professors übernehmen und vor über hundert Leuten deine Erklärung präsentieren. Einhergehend wirst du feststellen, ob du das ganze einfach und präzise erzählt hast bzw. ob es klar und verständlich klingt. Falls nicht oder wenn du an gewissen Stellen noch unsicher bist, versuche dort anzusetzen und dein Verständnis zu stärken. Ein Tipp: Verwende Analogien um deine Erklärung noch verständlicher zu machen.
- Wenn du ein Fremdwort/Fachwort vergessen hast, lasse dich nicht davon aus dem Konzept bringen. Schaue die Erklärung oder Definition nach und versuche dann dieses Fachwort in einfacher Terminologie, in deine Erklärung einzubauen. Versuche also eigene Wörter zu verwenden, um ein Fachwort zu beschreiben.
Mein Fazit
Mit dieser Technik kannst du dir schnell einen Überblick über ein Thema verschaffen und dabei die Bereiche identifizieren, bei denen du noch Wissenslücken hast. Somit ist man mit dieser Technik gezwungen, über das passive Nachlesen (Markieren von Textpassagen, etc.) hinauszugehen und wirklich aktiv über das Thema nachzudenken, wie man ein bestimmtes Thema/Konzept in einfachen Worten erklären würde. Dieser aktive Prozess sollte schlussendlich dazu beitragen, um sich an mehr des Gelernten zu erinnern.
Obwohl diese Technik nach einer sehr einfachen aussehen mag, ist sie sehr effektiv in ihrer Anwendung bzw. Umsetzung. Wenn du Themen/Konzepte auf diese Weise erklärst, sollte es dir möglich sein, die Kernidee eines Themas in eigenen Worten zu rekonstruieren, was wiederum dein tiefgreifendes Verständnis dafür stärken sollte.
Ich hoffe ich konnt dir mit dieser Technik einen Ansatz zeigen, mit dem du deine nächste Prüfungsphase effektiver gestalten kannst. Falls du lust hast, nehme diese Technik in dein Repertoir an Methoden auf, die deine Produktivität steigern, dein Verständnis verbessern und deine Leistung stärken.
Falls du noch Fragen hast, würde ich mich freuen, wenn du mir diese in der Kommentarsektion mitteilen würdest. Vielen Dank! Den Catch The Zenith Podcast findest du auf Spotify, Apple und Google Podcasts. Ich wünsche Dir viel Spass beim Zuhören und Catch The Zenith!
Nicola Flückiger